Hast du schon mal einen Baum gesehen, der das ganze Jahr blüht? 

Ein Tag der nie zu Ende geht? 

Einen Ozean, der keine Gezeiten kennt? Eine Abteilung, die sich nie verändert?

Die Welt ist zyklisch. Und doch leben wir in einer Gesellschaft, die genau das ignoriert. Die den weiblichen Zyklus entweder als Problem betrachtet oder ihn schlicht unsichtbar macht.

Es geht nicht nur um veraltete Denkweisen, sondern um handfeste Konsequenzen: In der Medizin, in der Forschung, in der Arbeitswelt. Und es sind immer wieder die gleichen Geschichten, die ich höre – Geschichten von Frauen, deren Körper nicht in bestehende Systeme passen sollen.

Eine Arbeitswelt, die für Männer gebaut ist

Ich spreche oft mit Frauen, die sich zwischen ihrem Körper und ihrer Karriere entscheiden müssen.

Da ist die Frau, die regelmäßig unter menstruationsbedingten Symptomen leiden – und jedes Mal überlegen muss, ob sie sich krankmeldet oder durchzieht.

Da ist die Mitarbeiterin in den Wechseljahren, die nicht schlafen kann, mit Hitzewallungen kämpft und trotzdem von ihr erwartet wird, dass sie weiter „funktioniert“.

Da ist die Führungskraft, die in der zweiten Zyklushälfte weniger belastbar ist – aber in einem System arbeitet, das nur konstante Leistung als wertvoll anerkennt.

Und dann gibt es die Frauen, die ganz aus dem System gehen.  So wie ich damals. Erst in der Rückschau kann ich sehen, dass ich genau an dem Punkt war. Das berichten viele Frauen.

Die ihre Arbeitszeit reduzieren oder sogar kündigen, weil niemand in ihrem Unternehmen auf ihre Bedürfnisse eingeht.

Frauen sind keine kleinen Männer – und doch behandelt sie die Medizin so

Über Jahrzehnte wurden Medikamente fast ausschließlich an Männern getestet. Frauen galten als zu „komplex“, weil ihr Zyklus ja die Ergebnisse beeinflussen könnte. Die erschütternde Lösung? Einfach nicht mitforschen.

Noch heute sind nur ein Viertel der Proband*innen in vielen Studien weiblich, obwohl wir 50% der Weltbevölkerung ausmachen. Dabei sind Frauen nicht die Ausnahme – sie machen die Hälfte der Bevölkerung aus.

Was das bedeutet, zeigt sich in der Praxis:

  • Frauen sterben dreimal häufiger an Herzinfarkten als Männer, weil ihre Symptome nicht richtig erkannt werden.
  • Viele Medikamente haben bei Frauen andere Nebenwirkungen oder wirken weniger gut – weil sie nicht an ihnen getestet wurden.
  • Menstruationsveränderungen nach der Corona-Impfung? Erst im Nachhinein festgestellt, weil es nicht mitgedacht wurde.

Die fehlende Forschung hat reale, manchmal lebensgefährliche Folgen.

Halte mal kurz inne! Wie geht es dir, wenn du es an dich ran lässt? Und es nicht als Fakt übergehst?

Menstruationskrankheitstage? Ein Fortschritt mit Hindernissen

In Spanien wurde ein großer Schritt gemacht: Frauen können sich dort wegen starker Regelschmerzen krankmelden, ohne finanzielle Nachteile zu haben.

Ein Sieg? Ja – aber nur auf dem Papier. Denn viele Frauen trauen sich nicht, diesen Krankheitstag zu nehmen. Zu groß die Angst vor Stigmatisierung, vor Kommentaren im Büro, vor versteckten Nachteilen in ihrer Karriere.

Solange eine menstruierende Frau als „nicht belastbar“ gilt, statt als Mensch mit natürlichen Rhythmen, bleiben solche Lösungen Stückwerk.

Menopause: Der unterschätzte Neubeginn

Es gibt kaum eine Lebensphase, die so stark mit Defiziten belegt wird wie die Menopause. Sie wird als „hormonelle Störung“ betrachtet, als Problem, das man behandeln muss.

Aber was, wenn wir sie anders sehen?

Die Menopause nimmt Frauen nicht ihre Kraft – sie verlagert sie. Weniger Östrogen bedeutet auch: Weniger Gefallen-Wollen, weniger Anpassung an Erwartungen. Frauen, die diese Phase bewusst erleben, berichten oft, dass sie sich klarer fühlen als je zuvor.

Anstatt sie aus der Arbeitswelt zu drängen, könnten Unternehmen von genau dieser Erfahrung profitieren. Aber dafür müsste sich etwas Grundlegendes ändern.

Zyklusbewusst leben – eine neue Art zu arbeiten

Was wäre, wenn wir unsere Arbeit nach unserem Zyklus ausrichten, statt umgekehrt?

🔹 Hochphasen nutzen: In der ersten Zyklusphase sind viele Frauen leistungsfähiger, kreativer, energetischer. Das ist die Zeit für wichtige Meetings, große Projekte, strategische Entscheidungen.

🔹 Erholungsphasen respektieren: In der zweiten Hälfte sinkt oft die Belastbarkeit. Statt dagegen anzukämpfen, könnten Aufgaben in dieser Zeit mehr auf Reflexion, Organisation und Struktur gelegt werden.

🔹 Flexibilität statt Gleichförmigkeit: Wer sagt, dass gute Leistung an eine konstante 40-Stunden-Woche gebunden ist? Zyklusbewusstes Arbeiten bedeutet, Spitzen zu nutzen und Erholung zuzulassen – genau wie die Natur es vormacht.

Was sich ändern muss

✔️ Genderspezifische Forschung muss der Standard werden – nicht die Ausnahme.
✔️ Arbeiten nach dem Zyklus darf kein Tabu sein.
✔️ Die Menopause ist kein Karriereende, sondern ein neuer Anfang.

Unser Körper ist kein Problem, das gelöst werden muss. Das System ist es.

Es ist Zeit, eine neue Realität zu gestalten – eine, in der Frauen nicht mehr unsichtbar sind.